Im Jahr 2021 feiert eine der größten Uhrenkomplikationen aller Zeiten ihren 220. Geburtstag: das Tourbillon. Der geniale Mechanismus von unvergleichlicher Komplexität stand im Mittelpunkt eines wahren menschlichen Abenteuers. Auch heute noch trägt das Tourbillon maßgeblich zur Bekanntheit seines Erfinders, Abraham-Louis Breguets, und dessen Maison bei.
Die Faszination für die Erfindung Breguets rührt von der Entstehung des Meisterwerks her: Tatsächlich ist das Tourbillon mehr als ein Kunstwerk der Mechanik – es ist das Ergebnis präziser physikalischer Beobachtungen, ein menschliches Abenteuer und ein industrielles Epos für sich.
Auch heute noch stellt sich die Maison Breguet, die stolz das Erbe dieser einst patentierten und bislang unerreichten Erfindung antrat, immer neuen Herausforderungen. So kreiert sie Zeitmesser, bei denen die Aspekte Kunst, Schönheit und Technologie harmonisch miteinander verschmelzen. Die große Auswahl der zahlreichen aktuellen Tourbillon-Modelle ist der Beweis dafür, dass Breguet die Erfindung aus dem Jahr 1801 perfektioniert hat.
Wir verdanken das Tourbillon dem brillanten Einfallsreichtum eines Mannes mit interessantem Werdegang: Abraham-Louis Breguet wird 1747 in Neuenburg in der Schweiz geboren, wo er eine Lehre als Uhrmacher beginnt, die er später im Alter von 15 Jahren in Versailles und Paris fortsetzt. In der französischen Hauptstadt, deren Strahlkraft sich damals kein Ort der Welt entziehen kann, erhält der junge Breguet insbesondere am Collège Mazarin eine theoretische Ausbildung, der er ein breites wissenschaftliches Grundwissen, insbesondere in Mathematik und Physik, verdankt – ein Ingenieur der ersten Stunde. Als Breguet seine Idee vorstellte und zum Patent anmeldet, kann er bereits auf eine lange Karriere zurückblicken, denn er hatte sein Atelier im zentralen Pariser Viertel Île de la Cité schon 1775 eröffnet. Seine so genannten „perpétuelles“ mit Automatikaufzug begeistern zunächst König Ludwig XVI. und seine Gattin Marie-Antoinette.
Ausgehend von der Annahme, dass die Idee zum Tourbillon während Breguets Aufenthalt in der Schweiz, also zwischen 1793 und 1795, heranreift, vergehen nach seiner Rückkehr nach Paris noch sechs Jahre, bevor er am 26. Juni 1801 das Patent erhält. Weitere sechs Jahre sollte es dauern, bis der Verkauf der ersten Exemplare des Tourbillon schleppend anläuft. Daraus lässt sich schließen, dass Breguet die Schwierigkeiten der Herstellung dieses neuen Gangreglers unterschätzt hat, was einmal mehr auf seinen stets unermüdlichen Optimismus zurückzuführen ist.
Um seine Erfindung 1801 in einem Frankreich, das (schon damals) von einer schwerfälligen und mächtigen Bürokratie geprägt war, patentieren zu lassen, muss Breguet zunächst die Hürde der Antragsstellung nehmen. Hierfür war ein Dossier mit einer Aquarelltafel und einem Schreiben an den Innenminister zu erstellen.
Es vergehen über zehn Jahre, bis Abraham-Louis Breguet seine extrem komplexe Erfindung entwickelt hat und mit verlässlicher Qualität herstellen kann. Der Uhrmachermeister wird nicht müde, über seine Erfindung zu sprechen. So nutzt er die Ausstellung französischer Industrieprodukte, die 1802, 1806 und 1819 in Paris stattfindet, um seinen Mechanismus vorzustellen, mit dessen Hilfe Zeitmesser „unabhängig von der Position der Uhr, die vertikal oder auch geneigt sein kann, ihre Genauigkeit beibehalten.“ Von der Relevanz der Erfindung, die auf mehrere Typen von Zeitmessern angewendet werden kann, überzeugt, stellen Breguet und seine Mitarbeiter zwischen 1796 und 1829 vierzig Tourbillons her. Hinzu kommen weitere neun Exemplare, die nie fertig gestellt und in den Büchern als abgeschrieben, Ausschuss oder verlegt erfasst werden.
Anhand einer umfassenden Analyse der Aufzeichnungen aus den Archiven ist es möglich, eine exakte Liste jedes einzelnen Exemplars mit zahlreichen Details zu ihrer Geschichte zu erstellen. Es gibt 35 Uhren, von denen mehr als die Hälfte mit einem Käfig ausgestattet sind, der sich in vier oder sechs Minuten um sich selbst dreht, wohingegen im Patent von einer Umdrehung in einer Minute die Rede ist. Darüber hinaus fallen fünf weitere Unikate ins Auge: eine „sympathische Pendule“ und eine Kombination aus Pendule und Uhr, ein großformatiges Demonstrationsobjekt, ein Marinechronometer und eine Reisependule.
Es ist nicht überraschend, dass sich unter der Liste der Käufer auch einige Könige wie Georg III. und Georg IV. von England oder Ferdinand VII. von Spanien, russische Aristokraten wie die Fürsten Jermolow, Gagarin, Repnin und Demidow sowie bekannte europäische Persönlichkeiten aus Polen (Graf Potocki), Preußen (Fürst Hardenberg), Italien (Graf Archinto, Giovanni Battista Sommariva), Ungarn (Baron Podmaniczky) oder Portugal (Francisco José Maria de Brito) befinden. Wenig bekannt ist bislang, dass ein Viertel der vierzig Tourbillons mit Sicherheit auf hoher See genutzt wurden. Amateur- oder Profiseefahrer hatten sie für die Navigation im Meer und die Berechnung der Längengrade gekauft und genutzt.
Die Maison Breguet fühlte sich nicht nur den vom Gründer des Hauses hergestellten Exemplaren besonders verbunden, sondern fertigte auch neue Taschenuhren mit Tourbillon, die sie in den Jahren 1920 bis 1950 verkaufte. Nur wenige Eingeweihte waren darüber informiert.
Das Revival folgte ebenso unerwartet wie fulminant. Ursprünglich für Taschenuhren entworfen, die im Allgemeinen in senkrechter Position getragen wurden, erfuhr die Erfindung von Abraham-Louis Breguet Mitte der 1980er Jahre in den kleineren Gehäusen von Armbanduhren, die weniger empfindlich auf die Erdanziehungskraft reagierten, ein Comeback. Wie paradox! Seitdem scheint Erfolgsgeschichte unaufhaltbar und das Tourbillon erobert jedes Jahr neues Terrain. Zwar ist der Präzisionsgewinn heute nicht mehr der größte Vorteil, doch Liebhaber wissen es als Erfindung aus der Epoche der Aufklärung und als wichtiges Kapitel der Menschheitsgeschichte zu schätzen. Und schließlich besticht die beruhigende Regelmäßigkeit dieses (in jeder Hinsicht) revolutionären Prozesses, der auch 220 Jahre nach seiner Erfindung den aufgeklärten Geist anspricht.
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